In der österreichischen Hauptstadt erzählen die Bewohnenden aus verschiedenen Quartieren von ihren Vorstellungen und Gründen, wieso sie sich für Wien – bewusst oder unbewusst – entschieden haben.


«Die Gründe, wieso ich mich für Wien entschieden haben, waren anfangs recht pragmatisch: Ich kannte Leute hier, die aus dem gleichen Ort wie ich herkommen, man bezahlt keine Studiengebühren und kann günstig essen. Seit fünf Jahren lebe ich mit einigen Unterbrechungen hier. Meine erste Wohnung war etwas ausserhalb und sehr laut, dafür war das Zimmer grösser. Die zweite Wohnung war ein Durchgangszimmer mit sechs Leuten. Ich wechselte in ein wunderschönes kleines Zimmer in einer 3er-WG, bevor ich alleine eine 40 m2 grosse Wohnung ausserhalb des Zenturms bezog. Wegen Schlafproblemen und der schlechten Anbindung an den öffentlichen Verkehr bin ich dann umgezogen. Jetzt bewohnen wir zu dritt 100 m2.
Ein Lebensziel für mich ist ein Schloss zu besitzen. Ein Zierschlösschen mit Burggraben, Zugbrücke, Wehrmauer, Bergried. Die Übertreibung des Gedankens, ein Ort zu besitzen, ist eben dieses Bild vom Schloss. Eine totale Halbdarstellung. Zeitlichkeit, Wehrhaftigkeit, so etwas wie ein Ziel damit ausdrücken.
Da ich kaum Einkommen habe, ist das Verhältnis Mietpreis/Einkommen schlecht. Ich bin auf die Unterstützung von Studienförderungen, Stipendien und meinen Eltern angewiesen. Ich könnte aber mein faules Hinterteil bewegen, einen Job finden und ein geregeltes Einkommen zu haben.»

«Meine Grossmutter hat diese Wohnung bekommen, dann wurde sie durch meine Mutter übernommen und nun wohne ich mit meiner Tochter und den zwei Hunden hier. Die 56 m2 grosse Wohnung liegt direkt an der Wienzeile. Es ist sehr lärmig, sehr staubig und schmutzig. Als ich jünger war, störte mich der Lärm nicht gross. Jetzt, da ich älter bin, sehne ich mich nach der Ruhe. In der Nacht wenn ich das Fenster offen lasse, höre ich alles: Skateboardfahrer, die Bar von gegenüber, die Fahrbahn. Im Sommer ist es besonders schlimm. Das Zimmer zum Innenhof ist grösser, weshalb ich es meiner Tochter überlassen habe. Eine Dachgeschosswohnung mit einer grossen Terrasse wäre besser. Die Mieten in Wien sind hoch, da ist es schwierig als Alleinerziehende. Momentan bezahle ich gut ⅓ meines Einkommens, doch das ist zu viel. Nebst der lärmigen Lage hat es auch Ungeziefer in der Wohnung. Überall sind Spinnen! Nun müssen wir ein Fenstergitter montieren, doch das Haus ist befallen – vor allem die leeren Wohnungen sind betroffen. Die Gemeinde weiss Bescheid, doch sie macht nichts. Wäre meine finanzielle Lage besser, wäre ich nicht mehr in Wien!»

«Wegen meines Studiums bin ich letztes Jahr von Norddeutschland hierher gezogen. Zuvor war ich schon einige Male in Wien, die Stadt war mir sehr sympathisch. Es war nicht ganz einfach für mich, hier eine WG zu finden, da ich von Deutschland aus keine Besichtigungen machen konnte und nebenbei meine Bachelorarbeit schreiben. Meine Mitbewohnerin habe ich über Couchsurfing kennengelernt. Bis eine Freundin von ihr einziehen würde, könnte ich als Untermieter da wohnen. Ihre Pläne haben sich aber immer weiter nach hinten verschoben, weshalb ich nun fest hier wohne.
Die Wohnung ist nahe an der U-Bahn und hat etwa 40–50m2 – eher klein. Es gibt eine Küche, zwei Schlafzimmer, meines ist etwa 10 m2, eine Toilette und daneben ein kleines Bad mit einer Dusche. Die Miete ist zum Glück günstig, da meine Mitbewohnerin die Vermieterin kennt. Trotzdem bezahle ich mehr als ⅓ meines Einkommens dafür. In den letzten Monaten lebte ich von meinen Ersparnissen. Um über die Runden zu kommen, arbeite ich nebenbei sporadisch in einem Krankenhaus in der Nachtschicht und als Tellerwäscher. Zudem mache ich an klinischen Studien mit und spende Blut. Das gibt ein paar Euros extra. Wäre meine finanzielle Situation besser, würde ich mit mehreren Personen eine eigene WG in einer grösseren Wohnung gründen. Gerade, wenn man Couchsurfer bei sich aufnimmt, ist es ohne Wohnzimmer mit Couch eng.»

«Zuvor war ich einmal in Wien. Die Stadt war mir sympathisch, jedoch hatte ich nicht gleich dieses Gefühl von «Ich muss unbedingt hier wohnen!». Der Entschluss nach Wien zu kommen fiel wegen des Studiums, und wohl auch, weil Bekannte von früher nach Wien gezogen sind. Es ist weit weg von zu Hause, jedoch nicht so weit weg wie Berlin, was auch zur Auswahl stand.
Meine Wohnung ist klein und bunt; es riecht gut. Ich wohne seit drei Jahren in Wien und bin oft umgezogen. Ich fühle mich wohl hier, trotzdem ist es nicht Daheim. Wenn ich hier in Wien sage, ich gehe heim, dann habe ich gleich den Gedanken, dass es ja nicht wirklich daheim ist. Mein zu Hause-Zuhause ist für mich da, wo ich aufgewachsen bin. In dem Sinne ist Wien zwar Zuhause, aber nicht ganz zu Hause. Mein Leben spielt sich hier in Wien und da, wo ich aufgewachsen bin, ab. Ich habe das Gefühl, dass ich an den Orten ein unterschiedliches Leben führe. Hier bin ich viel unterwegs, es passiert viel und ich entscheide vieles alleine. Zuhause ist es stetiger, es fühlt sich mehr wie Urlaub an.»

«Zusammen mit meiner Frau und meiner Tochter wohne ich seit einem Jahr in einer Wohnung im 6. Bezirk. Sie ist 90 m2 gross mit Schlafzimmer, Kinderzimmer, Wohnzimmer, Küche, Vorraum, Bad, WC, einer grossen Terrase mit Ausblick. Zuvor wohnten wir in einem 300 m2 Haus im 11. Wir suchen ein Grundstück in Wien, wo wir selbst bauen können.Ausserhalb der Stadt wird man schnell fündig, doch wegen meines Berufes als Geschäftsleiter bin ich gezwungen, nah am Büro und bei den Kunden zu sein. Die Mieten sind extrem teuer geworden, weil die Immobilienpreise so hoch datiert werden. Ich kann mir das zum Glück leisten.
In Wien bin ich aufgewachsen, Wien ist meine Heimat. Der Ort, wo man geboren wurde und seine Geborgenheit findet, das ist Heimat. Man wohnt da, wo man sich wohlfühlt und aufgewachsen ist. Es ist Schicksal. Da baust du dir was auf und hast keine Möglichkeit, wieder wegzugehen. Auswanderer sind die Ausnahme. Ich könnte es nicht: man hat seine Freunde, seine Umgebung, seine Wohnung, seine Arbeit, seine Wohnsituation. Wo man geboren wird, stirbt man. Ich bin ein Weltkind, bin viel gereist und habe viel gesehen. Es gibt Orte, wo ich gerne alt werden würde. Aber das sind Träume, die man in dem Moment hat. Wenn man die Kehrseite der Medaille anschaut, da wirst du auch nicht glücklich.»

«Von meiner Geburt an bis 1997 wohnte ich in meinem Elternhaus auf dem Land. Wegen des Zivildienstes zog ich für ein Jahr südlich von Wien. Dann wohnte ich acht Jahre im 7. Bezirk, später im 8. Wegen Eigenbedarfs musste ich nach sechs Jahren umziehen. Ich wollte im Bezirk bleiben, so dauerte die Wohnungssuche ein halbes Jahr. Die Durchmischung und die Zentrumsnähe hier gefallen mir. Zudem ist es nicht so angestrengt cool wie im 7. Als Lehrer ist mir eine gewisse räumliche Distanz zu meinem Arbeitsort im 18. Bezirk wichtig. Elterngespräche beim Einkauf mache ich nicht gerne.
In dieser Wohnung bin ich seit November 2013. Ich würde sie als verwinkelt, chaotisch, zentral gelegen und hoffentlich gemütlich beschreiben. Die Wohnung hat 58m2, die ich grundsätzlich alleine bewohne. Seit etwa zehn Jahren teile ich mein Zuhause mit zahlreichen Couchsurferenden aus aller Welt. Jede Woche habe ich Gäste, manchmal auch jeden Tag, manchmal mehrere gleichzeitig. Bei der Wohnungssuche habe ich deshalb geschaut, dass ich genügend Platz für Gäste habe. Da mir selber die Mittel fehlen um die Welt zu entdecken, hole ich sie in mein Wohnzimmer. Oder vielleicht bin ich auch nur zu sehr mit hosten beschäftigt, dass ich nicht zum surfen komme.»

«Zusammen mit meiner Frau wohne ich seit 1978 in einer 50m2 grossen Altbauwohnung. Ich stamme aus der Türkei; 1970 bin ich mit 9 Jahren nach Österreich gekommen. Ein Jahr war ich im 19. Bezirk und seither im 16. Mir gefällt es hier, es ist sehr multikulturell und ich habe alles in der Nähe. Jeder kennt mich im Quartier, ich gehöre fast schon zum Bezirk.
Für meine Frau und mich reicht die Wohnung, aber für meine Eltern ist es problematisch. Sie sind alt und pflegebedürftig, das geht in dieser Wohnung nicht. Aus diesem Grund habe ich nicht weit weg von Wien noch ein Haus, wo ich sie am Wochenende besuchen komme.
Durch dass wir schon so lange in der gleichen Wohnung leben, haben wir noch einen alten Mietvertrag, einen sogenannten Friedenszins. Früher war das nicht mal 1⁄5 meines Einkommens für die Miete! Darum konnten wir uns gut noch eine zweite Wohnung für unsere drei Kinder leisten.»


Die Bilder entsprechen nicht den Wohnorten der Studierenden, sondern visualisieren die Stadt und ihre verschiedenen Häuser.